Freitag, 26. März 2010

Griechenland besitzt 750 Kampfpanzer Typ Leopard


Schlappe zwei Milliarden Euro für Rüstungsgut

Die Krisengespräche, die der griechische Ministerpräsident Jorgos Papandreou kürzlich mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy führte, haben ein rasches, für Frankreich erfreuliches Ergebnis gebracht: Vermutlich für die Zusage einer wohlwollenden Prüfung von Stützmaßnahmen für den schwer angegriffenen Athener Staatshaushalt kauft Griechenland in Frankreich Kriegsgut ein. Für schlappe zwei Milliarden Euro zunächst, Fregatten vom Typ FREMM; die von Sarkozy angestrebte Ablösung der veralteten Mirage-Kampfjets der griechischen Luftwaffe durch neue Flieger vom Typ Rafale und den Erwerb von Kampfhubschraubern Modell Super-Puma ließ Papandreou zunächst offen. Sechs FREMMs sind es, auf die sich die angeblich der türkischen Kriegsmarine unterlegene griechische Seestreitmacht freut (die gloriose französische Marine leistet sich nicht ein Stück mehr, dies nur nebenbei), und Griechenland bleibt, lobt die Pariser Tageszeitung Le Monde, die Nummer drei unter Frankreichs Rüstungskunden weltweit.

Zwei Milliarden Euro für Rüstungsgut, mitten in der dicksten Finanzkrise in der Geschichte des Landes. Der stellvertretende griechische Verteidigungsminister, Panos Beglitis, findet das irgendwie surrealistisch, wie er gegenüber Le Monde eingestand. Doch werfen wir einen Blick auf den real existierenden griechisch-türkischen Rüstungswettlauf der letzten Jahrzehnte, der es in sich hat. Vom Beitritt der beiden Ägäisanrainer zur NATO (1952) bis zum Ende der NATO-gesteuerten Obristendiktatur (1974) hatten die USA als Rüstungslieferant beide Länder fest im Griff und sie sorgten dafür, dass keine der beiden verfeindeten Seiten ein allzu großes Übergewicht bekam. Doch unter dem Eindruck des Zyperndesasters, das die USA zu Lasten der Griechen ausgehen ließen, begann eine gewisse Diversifizierung, Athen sah sich nach anderen Anbietern um, der Wettlauf geriet außer Kontrolle, die Hardliner des militärischen Establishments nahmen die Sache in die Hand und hielten dieselbe zugleich fleißig auf, wie nicht nur böse Zungen sagen. Die Folge unterm Strich: Seit 1974 Militärausgaben von 120 Milliarden Euro auf griechischer Seite, von den Beschaffungskosten für Waffensysteme bis zu den Betriebsausgaben (so hat letztens die Tageszeitung Eleftherotypia ausgerechnet). Was ja nicht eben wenig ist.

Hauptlieferanten, beiderseits der Ägäis, bekanntlich: außer den USA die großen Waffenschmieden der EU, und hier seit langem Klassenerster die BRD. Was auch die IG Metall gut findet und heftig protestiert, wenn, wie letztens geschehen, die Kanzlerin einen Teilauftrag an das Eurofighter-Konsortium zu stornieren verkündet, aber nichts dagegen hat, wenn Außenminister Westerwelle in Athen den Kauf von 60 der superteuren Flieger anmahnt (vgl. NRhZ Nr.237 v. 16.2.2010). Sollen doch die bankrotten Griechen den drohenden Arbeitsplatzverlust im bayrischen Manching kompensieren.

Panzerschlacht in Thrazien?

Wer sich hier fragt, warum die EU den Beitrittskandidaten am Bosporus zur Schlichtung des Disputs mit dem griechischen NATO-Nachbarn über die ägäischen Hoheitsgewässer nicht deutlich und kategorisch auf den Weg zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag verweist, bevor sie überhaupt weiterverhandelt, dem mag ein Blick auf die Geschäftslage klarmachen, warum. Etwa 4,3% des BIP, so belehrte mich kürzlich ein Athener Amtsträger, gebe man in Griechenland immer noch für Wehrzwecke aus, das wäre der zweithöchste Satz in der NATO, nach den USA, und doppelt so viel wie in der BRD. Vier Milliarden Euro pro Jahr gingen im Durchschnitt für den Import von militärischem Großgerät drauf in den letzten Jahrzehnten, eine gewaltige Vernichtung materieller Ressourcen.

Über eine Armada von 1140 Panzern verfügt derzeit das griechische Heer (ein halbes tausend Schützenpanzer nicht gerechnet), mit Ausnahme von 390 M48 Pattons alles derzeit Fahrzeuge vom Typ Leopard - 750 Stück. Fast doppelt so viele Leos wie die Bundeswehr noch ihr Eigen nennt. Und die griechischen Panzerdivisionen stehen in Westthrazien einer noch größeren Panzerstreitmacht jenseits des Grenzflusses Evros gegenüber, deutsches Material ist natürlich auch dort zahlreich vertreten.

„Alle reden vom Frieden, wir nicht“

Alle Jahre wieder liegt dem Deutschen Bundestag der Jahresabrüstungsbericht vor. Schon der Titel ein einziger Hohn – geht er doch stets einher mit immer stolzeren Exportbilanzen der Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann und Konsorten. Die in der einschlägigen Bundestagsdrucksache indes verschämt verschwiegen werden, stolz vorgeführt werden sie dagegen auf den Aktionärsversammlungen der Konzerne. Die Griechen waren immer ein ganz, ganz großer Kunde (und sollen das, wie die Türken, weiterhin bleiben), auch wenn in letzter Zeit im Handelsblatt immer mal wieder von der sinkenden Zahlungsmoral der Athener zu lesen war. Und Thyssen-Krupp liegt mit Athen im Streit – wegen eines vorläufig stornierten U-Bootgeschäfts (vier U 214, Stückkosten ca. 400 000 Euro), Verhandlungen sind im Gange, Auskunft wird nicht erteilt.

Es gibt, daran sei erinnert, deutsche Exportrichtlinien fürs Waffengeschäft, und gelegentlich eine kleine Bundestagsdebatte, wenn mal wieder Panzer in ein Land mit einer sogenannten „Menschenrechtslage“ geliefert werden sollen. Doch irgendeine Ausnahmebegründung findet sich immer, vor allem bei Bündnispartnern. Es gibt auch die Vorschrift, „destabilisierende Waffenanhäufungen (zu) verhindern“. Aber eine solche Anhäufung vermag man an den waffenstarrenden Gestaden der Ägäis offenbar nicht zu erblicken. Doch wenn schon die deutschen Exportrichtlinien nicht greifen (die sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen) – es gibt auch solche aus Brüssel: den „Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren“, und hier das Kriterium Nummer 8: die Vereinbarkeit der Rüstungsexporte mit der wirtschaftlichen Kapazität des Empfängerlandes. Auch dieses Kriterium auf sehr geduldiges Papier gedruckt. Quod erat demonstrandum – am griechischen Beispiel.

Eine Bonanza für die deutschen Rüstungskonzerne

Ach ja, und die NATO. Die hatte, und mit ihr der von Dwight D. Eisenhower so getaufte Militärisch-Industrielle Komplex, richtig Existenzangst, als das „Reich des Bösen“ 1989 so kampflos unterging. „Out of Area or out of Business“, lautete die panische Parole. Andere freuten sich auf Konversion und Friedensdividende, doch die freuten sich zu früh. Die NATO ging out of area, fand viele kleine Schurkenstaaten und so manche humanitäre Katastrophe zu bombardieren, die Geschäfte blühten schnell wieder auf. Und das Geschäft mit dem Wettrüsten an der Ägäis? Das blieb, als Konstante, erhalten, eine Bonanza für die Rüstungskonzerne, besonders die deutschen. Deshalb auch sieht man’s den Griechen großzügig nach, dass sie sich in Afghanistan nur mit einem symbolischen Kontingent sehen lassen.

Kürzlich erzählte mir ein griechischer Offizier diese wahre Anekdote: Auf einer NATO-Ratssitzung wurde ein Grieche gefragt, warum seine Leute die Freiheit der westlichen Welt nicht mit einer größeren Streitmacht am Hindukusch verteidigten. Das täten wir gern, erwiderte der Hellene, wenn ihr solange unsere territoriale Integrität an der Ägäis verteidigt. Der Rest war Schweigen, und das Thema vom Tisch. (PK)

quelle: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14843

Deutschland sollte die Griechen nicht verletzen

Deutschland sollte die Griechen nicht verletzen


Kreta im Sommer 1960: Die Deutschen sind da. Statt Sonnencreme haben sie Metermaß und Mundspiegel im Gepäck. Eine Kommission der deutschen Industrie ist in ein Bergdorf gekommen, um Gastarbeiter anzuwerben. Eine Stimmung wie auf dem Pferdemarkt, inklusive Blick ins Gebiss – nur die Stärksten werden genommen. Unter den Männern, die sich zur Untersuchung stellen, ist auch mein Vater. Drei Monate später schuftet er als Stahlarbeiter in Duisburg für das Wirtschaftswunder.

1960 ist Griechenland politisch zerrissen, die Wirtschaft liegt am Boden. Wer kann, sucht sein Glück anderswo. Heute ist das Land in einer ähnlich dramatischen Lage, auch wenn die Vorzeichen anders sind. Es hat sich enorm weiterentwickelt, doch wer jung ist und gut ausgebildet, geht ins Ausland.

Griechenland, mit seiner uralten Kultur und seinen herzlichen Menschen, ist ein Sanierungsfall. Jeder, der heute über Griechenland und die Krise des Euro redet, kennt die Horrorzahlen: 12,7 Prozent Haushaltsdefizit, fast 300 Milliarden Euro Schulden.

Auf dem morgigen Gipfeltreffen werden Europas Staats- und Regierungschefs diskutieren, ob es bilaterale Kredite geben wird. Mit Krediten bekommt man vielleicht die aktuellen Löcher gestopft, aber für eine nachhaltige Veränderung brauchen wir eine andere Art der Unterstützung:

Griechenland braucht substanzielle Hilfe zur Selbsthilfe. Konkret: Die EU sollte eine Kommission einsetzen, die sogenannte Good-Governance-Expertise in das Land bringt. Denn es mangelt bislang an guter Verwaltung und Rechtsetzung. Ein Beispiel ist das griechische Solarenergiegesetz – das modernste der Welt. Leider wird es nicht umgesetzt.

Eine Veränderung Griechenlands wird am ehesten über einen Mentalitätswandel erreicht, der von außen, aber von Griechen, beflügelt werden kann. Jetzt sind auch die rund sieben Millionen Auslandsgriechen bzw. die griechischstämmige Bevölkerung aufgerufen, Solidarität mit der alten Heimat zu zeigen und ihr Kapital zu investieren. Damit meine ich vor allem das intellektuelle Kapital. Laut DAAD hat ein beträchtlicher Teil der Professoren an griechischen Hochschulen bereits heute zumindest einen Teil seiner Ausbildung in Deutschland erhalten. Griechenland sollte mehr junge Akademiker dazu motivieren zurückzukehren.

In einem weiteren Schritt sollte Deutschland auf Griechenland zugehen und eingestehen, dass es durch den europäischen Binnenmarkt profitiert hat. Das deutsche Außenhandelsplus gegenüber Griechenland ist enorm. Deutsche Großhandelsketten aus der Lebensmittelsbranche haben heute in Griechenland fast eine Monopolstellung inne. Die Griechen sind nur noch „Zaungäste“ im eigenen Land. Warum entschließen sich diese Handelsketten nicht, mehr griechische Qualitätsprodukte ins Sortiment zu nehmen?

Deutschland sollte nicht mit „Stinkefingern“ oder einem Ausschluss des Landes aus der Eurozone aufwarten. Das verletzt die Griechen, die Deutschland bisher als einen verlässlichen Freund kannten. Und einen Freund sollte man in der Not nicht aufgeben, sondern seinen Willen zur Veränderung unterstützen.

Nur dann hätte auch Eleni eine Chance in ihrer Heimat ein Auskommen zu finden. Jahrelang habe ich vergeblich versucht, für meine beiden Töchter ein griechisches Au-pair-Mädchen zu finden. Erst mit dem Beginn der Finanzkrise sind auch Griechinnen bereit dazu. Für meine Töchter ist das großartig, weil sie so ihr Griechisch verbessern können.

Für Griechenland bedeutet das allerdings, das wir wieder da sind, wo wir in der Vergangenheit waren: Griechenland ist erneut zum Auswanderungsland geworden. Damit diejenigen, die heute das Land verlassen, wieder zurückkehren, sollten wir nicht tatenlos zusehen. Wir haben zu viel zu verlieren.

Der Autor ist Europaabgeordneter für die FDP und Präsident der Deutsch-Hellenischen Handelskammer.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 24.03.2010)
quelle: http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Griechenland-Euro;art141,3064961